LebensWissen

Details zum Projekt

Diskurse des Lebens. Paradigmatische Konzepte um 1900 und ihre Bedeutung für die Gegenwart

Das Wissen vom Leben stellt ein wesentliches Paradigma der Gegenwart dar, das Wissenschaft, Ökonomie, Ethik und Politik gleichermaßen bestimmt. Das Projekt setzt sich mit jener lebens-wissenschaftlichen Konstellation auseinander, welche einen neuen, umfassenden Lebensbegriff hervorbringt und deshalb – so eine Hypothese des Projekts – auch der gegenwärtigen Situation zugrundeliegt. Ausgehend von aktuellen Problematiken werden paradigmatische Diskurse über das Leben um 1900 auf ihre Semantik des Lebens, ihre Epistemologie des Lebens und ihre Ethik des Lebens hin untersucht. Diese drei Forschungsfragen werden dabei auch als verschiedene Ebenen betrachtet, auf denen sich die ganzheitliche Tendenz der Diskurse über das Leben artikuliert. Denn die Leitfrage des Projekts lautet: Welche semantischen, epistemologischen und ethischen Konsequenzen hat die implizite Ganzheitlichkeit des Lebens, sobald es wissenschaftlicher Gegenstand wird? Mit der Untersuchung von dessen umfassendem Anspruch soll nicht nur ein kritisches Verständnis sowohl der damaligen als auch der gegenwärtigen wissens- und kulturgeschichtlichen Konstellation erarbeitet werden, sondern es sollen auch vergessene Reflexionspotentiale systematisch erschlossen werden. Das Projekt verbindet damit eine genealogische mit einer systematischen Perspektive. Diese besteht nicht zuletzt darin, dass – so zwei weitere Hypothesen des Projekts – die ausgewählten Diskurse des Lebens um 1900 einerseits aktuellen Ansätzen gleichen und damit deren kritische Evaluierung ermöglichen, andererseits aber auch andere Lösungen für Problematiken entwickeln, die sich auch gegenwärtig stellen.

Gegenstand des Projekts sind vier paradigmatische Zugriffe auf das Leben um 1900, die vor allem dadurch miteinander verbunden sind, dass ihre Konzeptualisierungen auf je eigene Weise über den Gegensatz von Geistes- und Naturwissenschaft hinausweisen: Ernst Haeckel erweitert die biologische Evolutionstheorie zu einer universellen Lebenswissenschaft, die das Ganze der Erfahrungswelt naturwissenschaftlich erklären soll. Seine abschließende Konturierung erfährt Haeckels monistische Weltanschauung in der Schrift Die Lebenswunder. Gemeinverständliche Studien über Philosophische Biologie (1904), womit der Begriff Leben in den Mittelpunkt seiner darwinistischen Entwicklungslehre rückt. Der späte Wilhelm Dilthey entwickelt eine Hermeneutik des Lebens, die in einer allgemeinen Theorie des Wissens und der Wissenschaft mündet. Georg Simmel entwirft in seinen Spätschriften eine Metaphysik des Lebens und gibt damit seiner Kulturtheorie ein ganzheitliches Fundament. Das Leben wird dabei als ein unaufhebbar konflikthafter dialektischer Prozess bestimmt, der auch dessen Gegensatz, die Form, umfasst. Sigmund Freud formuliert in seiner 1920 publizierten Studie Jenseits des Lustprinzips seine Triebtheorie im Zeichen des Lebens um. Anhand der Durchquerung der evolutionsbiologischen Debatten der Zeit entwickelt er ein dynamisches Lebenskonzept jenseits der ‚zwei Kulturen’, das am Anfang der kulturtheoretischen Erweiterung der Psychoanalyse, d.h. seiner Metapsychologie des Gattungswesen Mensch, steht.

Dr.
Johannes
Steizinger

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Fritz Thyssen Stiftung

Philosophie
Semantik; Epistemologie; Ethik
06/2013
05/2014

Publikationen:

Steizinger: Engineers of Life? The Concept of Life in the Debate on Synthetic Biology. In: Analyzing the Societal Dimensions of Synthetic Biology, edited by von Margret Engelhard, Kristin Hagen und Georg Toepfer, Wien/New York (Springer) 2015, fortcoming.

Tagungen:

http://www.zfl-berlin.org/veranstaltungen-detail/items/epistemologie-des-lebens.html

Vorträge:

„Vorbild, Modell und Ideal. Zur Bedeutung Goethes in Wilhelm Diltheys Philosophie des Lebens“, Workshop: Goethe um 1900, ZfL Berlin, 11.‒12. Dezember 2014.

„Schlüssel zum Ganzen? Potentiale und Probleme des Begriffs Leben?“, Konferenz: Epistemologien des Lebens. Jenseits der 'zwei Kulturen' 1900/2000, ZfL Berlin, 9.‒10. Oktober 2014.

„Der ‚Wertzusammenhang des Lebens‘. Die Aktualität von Wilhelm Diltheys Epistemologie des Lebens“, XXIII. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Philosophie: Gesellschaft‒Geschichte‒Geltung, Universität Münster, 28. September‒2. Oktober 2014.

„Engineers of Life? The Concept of Life in the Debate on the Societal Dimensions of Synthetic Biology“, Summer School der EA: Analyzing the Societal Dimensions of Synthetic Biology, ZfL Berlin, 15.‒19. September 2014.

„Hermeneutik der Immanenz. Wilhelm Diltheys Epistemologie des Lebens“, Kolloquium des Instituts für Philosophie, Universität Potsdam, 4. Februar 2014.

„Hermeneutik der Immanenz. Wilhelm Diltheys Epistemologie des Lebens“, Vortragsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Phänomenologie, Institut für Philosophie, Universität Wien, 21. November 2013.

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